„Als Gesellschaft sollten wir nicht eine Frau empowern, indem wir eine andere unterdrücken“
Ein Interview mit der Initiative AuPair-Repair über migrantische Sorgearbeit und ihr Engagement für mehr Anerkennung und faire Arbeitsbedingungen
„Au Pair“ bedeutet übersetzt „auf Augenhöhe“. Die Realität für viele Au-Pairs sieht jedoch anders aus: Viele erleben Empathielosigkeit und Ausbeutung in den „Gastfamilien“. Außerdem ist Au Pair-Arbeit eine sehr unsichtbare und marginalisierte Care-Arbeit – wie viele andere Jobs, die hauptsächlich von Migrant*innen ausgeübt werden. Dagegen kämpft die Initiative AuPair-Repair: Sie vernetzt und empowert lateinamerikansiche Au-Pairs in Österreich.
Chris hat mit Elizabeth und Paulina von der Initiative AuPair-Repair über ihre Arbeit und Perspektiven für feministische Kämpfe gesprochen.
Chris: Hallo, schön, dass wir die Gelegenheit haben über eure Erfahrungen als Au-Pairs zu sprechen. Danke, dass ihr euch die Zeit nehmt. Für den Einstieg interessiert mich: Was ist Care-Arbeit für euch? Mit welchen Gefühlen und Bildern verbindet ihr Care-Arbeit?
Elizabeth & Paulina: Für uns heißt Care-Arbeit, die Aufgabe zu übernehmen, sich um eine andere Person zu kümmern. Care-Tätigkeiten sind mit Verantwortung und Energie der Person verbunden, die sie ausführt. Sorge kann als Liebe, Elternschaft, Freundschaft, Schwesternschaft, Brüderlichkeit usw. dargestellt werden, aber auch als Arbeit – und Care-Arbeit ist harte Arbeit.
Was ist das Besondere an der Sorgearbeit, die Aupairs leisten, im Vergleich zu anderen Hausangestellten?
Das Problem für Au Pairs beginnt, wenn die Situation schlecht wird. Die Arbeit wird als kultureller Austausch verkauft, sie sollen eine Sprache lernen, eine neue Stadt erkunden. Daher sind Au Pairs sehr verwirrt, wenn sie merken, dass sie ständig arbeiten, anstatt „Spaß zu haben“. Plötzlich bedeutet die Betreuung eines Kindes viel Verantwortung, Energie und Arbeit.
In Österreich dürfen Au Pairs nur 18 Stunden pro Woche arbeiten, das sind im Grunde 3,5 Stunden täglich von Montag bis Freitag. Im Vergleich zu Hausangestellten sollten Au Pairs also weniger arbeiten, da ihr Fokus auf dem Lernen und Üben der Sprache liegen sollte. Wir haben von Fällen gehört, in denen die Au Pair nicht nur für die Kinder verantwortlich war, sondern auch für die Sauberkeit des Hauses sorgen sollte. Leider wird die Arbeit von Au Pairs immer noch als leichte Aufgabe angesehen: Es gilt als „einfacher“ Job und die oder der Au Pair ist wie eine ältere Schwester oder ein älterer Bruder.
Wie ist eure Initative enstanden und was wollt ihr erreichen??
Als wir selbst Au Pairs waren, haben wir festgestellt, dass Au Pairs manchmal nicht über ihre Rechte informiert sind. Grund ist hierfür, dass ihre Sprachkenntnisse noch nicht ausreichen und Au Pairs meist am Stadtrand arbeiten, was sie isoliert und den Aufbau eines sozialen Umfelds erschwert. Wir haben unser Projekt gestartet, um Au-pair-Arbeit sichtbar zu machen und die Au Pairs während ihres Jahres zu stärken. Wir wollen das Au-pair-Netzwerk stärken, eine starke Gemeinschaft schaffen, anderen Au Pairs klar machen, dass sie nicht allein sind, und sie mit den richtigen Informationen versorgen, damit sie eine gute Au-pair-Erfahrung im Ausland haben können.
Migrantische Hausarbeiter*innen berichten immer wieder von Vereinzelung und Gewalterfahrungen in den Haushalten, in denen sie arbeiten. Wie schafft ihr es aus der Isolation auszubrechen und Au Pairs zu unterstützen? Wie erreicht ihr andere AuPairs?
Care-Arbeit ist eine sehr isolierende Tätigkeit, und die Gewalt ist in der Regel auf die Machtdynamiken zurückzuführen, die diese Tätigkeiten mit sich bringen.
Darüber hinaus bringt Migrant*in sein zusätzliche Verletzlichkeit und Prekarität mit sich.
Ihr Visum oder ihre Aufenthaltsgenehmigung ist an ihre*n Arbeitnehmer*in gebunden. Außerdem ist bei Au Pairs der Ort, an dem sie leben, derselbe Ort, an dem sie arbeiten. Wir wollen starke Unterstützungsnetzwerke aufbauen, damit sie nicht allein und isoliert sind. Weil es sprachlich leichter war, begannen wir unser Projekt zuerst mit lateinamerikanischen Au Pairs. Da wir selbst Au Pairs waren, waren wir bereits in einigen Facebook oder Whatsapp-Gruppen, sodass es einfach war, andere Au Pairs zu erreichen. Wir haben hilfreiche Informationen weitergegeben und Fragen gesammelt, die oft aufkamen. Zusätzlich versuchen wir, Treffen zu organisieren, damit die Au Pairs sich kennenlernen und sich über ihre Erfahrungen austauschen können. Letztlich nutzen wir unsere Erfahrungen, um neuen Generationen von Au Pairs zu helfen.
Zum 8. März habt ihr ein Manifest veröffentlicht. Was fordert ihr darin?
Wir weisen privilegierte (weiße) Frauen darauf hin und erinnern sie daran, dass Care-Jobs, die meist von migrantischen Frauen erledigt werden, patriarchale Strukturen aufrechterhalten. Als Gesellschaft sollten wir nicht eine Frau empowern, indem wir eine andere unterdrücken. Es sollte nicht sein, dass hinter einer mächtigen, starken und hart arbeitenden Mutter ein Au Pair oder ein Babysitter mit unfairen Arbeitsbedingungen steht.
Heißt das, ihr fordert privilegierte weiße Frauen dazu auf, keine Au Pairs mehr zu beschäftigen?
Wir können und wollen das Au-pair-Programm nicht abschaffen, weil es für viele Menschen eine Möglichkeit für Migration ist. Und Migration ist ein Menschenrecht. Wir wollen, dass die Menschen die Arbeit, die Au Pairs leisten, anerkennen und respektieren. Wir wollen, dass sie Au Pairs als gleichwertig behandeln und sie fair bezahlen. Sie tun ihnen keinen Gefallen, sondern stellen jemanden ein, der eine Arbeit erledigt, die sie selbst nicht erledigen können.
In der feministischen Bewegung wurde viele Jahre lang der Fokus auf die Sorgearbeit von weißen cis Frauen in privaten Haushalten und Kleinfamilien gelegt. Was ist eure Perspektive und Kritik daran?
Au Pairs sind davon nicht ausgenommen. Im Grunde ist ein Au Pair ein*e Care-Arbeiter*in, die die Verpflichtung hat, die Sprache zu lernen. Natürlich machen nicht alle Au Pairs schlechte Erfahrungen. Es ist an der Zeit, sie zu empowern und ihnen ihre wichtige Rolle in der Gesellschaft bewusst zu machen.
Wenn wir uns in einer Welt wieder treffen würden, in der die Sorgearbeit von Au Pairs anerkannt und gewertschätzt wird: Wie sähe es dort aus?
Es wäre eine Welt, die wertschätzt und versteht, dass Care-Arbeit die Basis unserer Gesellschaft ist. Es gibt starke unabhängige Eltern, die Kinder haben, und starke unabhängige und mutige Au-pairs, die ins Ausland gehen und sich um Kinder kümmern – und das alles in einer anderen Sprache. Wir brauchen uns gegenseitig. Wir müssen zusammenhalten. Wenn Kinder so wichtig für die Zukunft sind und ältere Menschen so viel wichtige Lebenserfahrung in sich tragen, dann sind Menschen, die sich um sie kümmern, genauso wichtig und sollten auch in ihrer Arbeit anerkannt werden.
Vielen Dank für das Interview!
Wenn ihr AuPair Repair unterstützen wollt, folgt ihnen auf Social Media: @aupairrepair (Instagram) oder kontaktiert sie per Email: aupairrepair@gmail.com
Interview & Übersetzung:
Chris Neuffer (chris / they)
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