INHALTSVERZEICHNIS
Im Jahr 2048 gibt es:
↦ Mitbestimmung auf allen Ebenen
↦ Suche nach Konsens
↦ Transparenz über politische Entscheidungen
2048 gibt es nicht mehr:
⇤ Manipulation und Dominanz in der Gesprächskultur
⇤ Schachern um Mehrheiten
⇤ Politiker*innen-Karrieren
Demokratische Prinzipien
Heute ist die Demokratie durch folgende Prinzipien geprägt:
- Das Ziel auf allen Ebenen ist es, möglichst alle Menschen in eine Entscheidung miteinzubeziehen, die von dieser betroffen sind, um so ein selbstbestimmtes Leben zu gewährleisten. Die genauen Verfahren und Prozesse sind vielfältig – vom persönlichen Austausch über klassische Wahlen bis hin zur Übertragung meiner Stimme an Personen, bei denen ich sicher bin, dass sie meine Meinung zu einem bestimmten Thema vertreten.
- Entscheidungen werden immer auf der kleinstmöglichen Ebene gefällt. Das Prinzip der Subsidiarität besagt, dass für eine größtmögliche Selbstbestimmung und Eigenverantwortung übergeordnete Gremien nur über die Dinge entscheiden dürfen, die nicht auf niedrigerer Ebene entschieden werden können.
Als demokratische Strukturen gibt es Räte in jeder Nachbarschaft, jeder Region, thematische Räte und auch Parteien (siehe unten). Jede*r kann in diesen Gremien Vertreter*in sein, soweit ihr Rat, ihre Nachbarschaft oder Partei ihr das zutraut. - Alle Ämter rotieren, dadurch sind viel mehr und wechselnde Menschen in die Entscheidungsfindungen auch auf höheren Ebenen eingebunden. In den Ratsstrukturen können Vertreter*innen jederzeit auf Wunsch derjenigen, die sie delegiert und gewählt haben, ersetzt werden.
- Über alle Entscheidungen herrscht große Transparenz, auch wenn Wahlen weiterhin geheim sind. Dies bedeutet zum Beispiel, dass die Nachbarschaft nicht auf den Bericht der Vertreter*innen angewiesen ist, sondern alle Diskussionen auf allen Ebenen über das Internet frei einsehbar sind.
Die eigene Nachbarschaft
Der Lebensmittelpunkt der eigenen Nachbarschaft ist der Hauptort für viele informelle und formelle Diskussionen und Entscheidungen (→ Wohnen). Hier entscheiden die Mitglieder der Nachbarschaft über ihre Belange nach den Regeln, die sie sich gegeben haben. Es ist auch der Ort, an dem junge Menschen lernen, zu diskutieren, Kompromisse einzugehen und Bedenken einzubeziehen. Gibt es Entscheidungen, die in einem größeren Rahmen getroffen werden müssen, werden Vertreter*innen der Nachbarschaft in lokale und übergreifende Räte geschickt.
Allgemeine Räte
Auch wenn Entscheidungen 2048 viel näher an den Orten entschieden werden, die sie betreffen, braucht es doch auch höhere Ebenen, um zum Beispiel über die regionale Wohnraumverteilung, das überregionale Bahnnetz oder die Behandlung von globalen Commons wie Wasser und Luft zu entscheiden. Auf den unteren Ebenen geschieht dies in Räten in der Nachbarschaft, im Quartier oder Dorf bis hin zu Regionen und Städten. Die lokaleren Ebenen schicken dabei jeweils Vertreter*innen in die höheren. Diese Räte können nicht nur Entscheidungen treffen, sondern haben auch Zugriff auf Mittel, um diese durchzusetzen.
Die Kontrolle der Räte erfolgt aus zwei Richtungen:
Einerseits dürfen die Vertreter*innen nur in begrenztem Umfang selber entscheiden – bei wichtigen Entscheidungen müssen sie ein Votum aus den unteren Räten beziehungsweise der Nachbarschaft einholen. Dieses Votum muss kein einfaches „ja“ oder „nein“ sein, sondern kann auch eine differenziertere Angabe sein, wie „Wieviel Widerstand gibt es gegen eine Entscheidung auf einer Skala von 1 bis 10?“.
Andererseits müssen sich die Räte bei ihren Entscheidungen an Menschenrechte und die Verfassung halten (siehe unten).
Thematische Räte
Neben allgemeinen Räten gibt es auf allen Ebenen auch thematische Räte, beispielsweise zur Stromversorgung, für Gleichberechtigung und zur Arbeitsorganisation. Sie sind für ihre jeweiligen thematischen Bereiche zuständig. Wenn nötig, tauschen sie sich mit anderen Räten aus (beispielsweise der Wohnungsrat mit dem Mobilitätsrat). Sie beziehen nicht nur Expert*innen mit ein, sondern auch sonstige Stakeholder wie Arbeiter*innen, Konsument*innen und Anwohner*innen.
Räte in Betrieben
Alle Betriebe werden von den dort Tätigen selbst geführt. Entscheidungen innerhalb der Betriebe treffen diejenigen gemeinsam, die dort arbeiten, oder sie wählen Delegierte. In manchen Betrieben sind auch weitere Stakeholder wie die Konsument*innen und Zulieferer*innen vertreten. Die allgemeinen und thematischen Räte kontrollieren die Betriebe hinsichtlich der Produktion (ist sie nachhaltig und fair?) und der Produkte (sind sie gesellschaftlich gewünscht und zweckdienlich?).
Parlament & Verfassungskonvent
Verschiedene überregionale und transregionale Parlamente entsprechen am ehesten den früheren Strukturen in der Bundesrepublik – es gibt politische Parteien, die gewählt werden und Vertreter*innen in das Parlament schicken. Hauptfunktion der Parlamente ist es, Entscheidungen auf höheren Ebenen zu treffen. Dabei müssen die Parlamente bei schwerwiegenden Entscheidungen auf Bürger*innen-Entscheide zurückgreifen. Außerdem sichern die Parlamente die Einhaltung der Verfassung. Hierzu gehört neben dem Schutz von Minderheiten auch die Sicherstellung der allgemeinen Daseinsvorsorge, die Ende der 2020er Jahre in einer neuen europäischen Verfassung festgeschrieben wurde. Für diese Aufgabe verfügen Parlamente auch über Interventionsmöglichkeiten in die verschiedenen Räte. Diese Interventionen bestehen normalerweise aus kommunikativen Konfliktlösungsmechanismen entsprechend dem Ansatz der opferorientierten Justiz (Restorative Justice). Der Ansatz hat zum Ziel, materielle und immaterielle Schäden wieder gut zumachen und positive soziale Beziehungen wiederherzustellen.
Jede Verfassung selbst wird regelmäßig durch Verfassungskonvente angepasst.
2020
Was es schon gibt
Rojava
Die Autonome Administration von Nord- und Ostsyrien baut dezentrale gesellschaftliche Strukturen im Sinne des demokratischen Konföderalismus auf.
→ Liquid Democracy
Mischform aus indirekter und direkter Demokratie, von einer Vielzahl an Organisationen und Parteien für Teile ihrer Entscheidungen eingesetzt.
Räterepubliken
Die Organisation über Räte hat lange Tradition und kam in vielen gesellschaftlichen Umbruchsituationen vor, wie der Pariser Kommune 1871, der Aufbauphase der Sowjetunion (russisch „Sowjet“ = Rat), der deutschen Novemberrevolution 1918/1919 sowie in Polen und Ostdeutschland 1989.
→ Mehr Demokratie e.V.
Setzt sich für eine Weiterentwicklung der Demokratie ein, vor allem für direkte Demokratie.
→ Parecon – Participatory Economics
Modell einer partizipativen Wirtschaft, in dem Räte und Selbstverwaltung eine zentrale Rolle spielen.
→ Lobbycontrol
Organisation für Transparenz, eine demokratische Kontrolle und klare Schranken der Einflussnahme auf Politik und Öffentlichkeit.