2048

Heute ist das Ziel des Wirtschaftens das Wohlergehen aller und nicht mehr Profit, Wachstum oder die Produktion möglichst vieler Dinge. Wirtschaftliche Aktivitäten sind an unseren Bedürfnissen ausgerichtet: Sie zielen darauf ab, kon­krete Bedürfnisse wie das nach Nahrung, Wohnraum, Kommunikation und Mit­bestimmung auf eine ökologische, soziale und demokratische Art und Weise zu befriedigen. Dabei geht es sowohl darum, dass wir Güter und Dienstleistungen
bekommen – beispielsweise Essen, Mobilität, Sport und Kultur. Es bezieht aber auch unsere Bedürfnisse mit ein, etwas beizutragen – beispielsweise die Gesellschaft zu gestalten, tätig zu sein und einem Beruf nachzugehen.

2048 gibt es:
↦ Einen großen Bereich selbstorganisierter Beitragsökonomie
↦ gemeinwohlorientierte Märkte
↦ einen stark ausgebauten Care-Sektor
↦ regionale Wirtschaftsstrukturen

2048 gibt es nicht mehr:
⇤ rein profitorientiertes Wirtschaften
⇤ Rüstungs-, Werbe- und Versicherungsindustrie
⇤ geplante Obsoleszenz
⇤ Privateigentum an größeren Produktionsmitteln

Von Marktdominanz zu demokratischer Selbstbestimmung

Heute besteht die Wirtschaft aus drei Säulen: selbst­organisierte Commons, öffentliche und demo­kra­ti­sche Daseinsvorsorge und gemeinwohlorientierte Märkte. Was heißt das, und wie kam es dazu?

Die Krisen zu Anfang des 21. Jahrhunderts – Klima und Biodiversität, Ungleichheit, Austerität – spitzen sich in der durch Corona ausgelösten Wirtschaftskrise so zu, dass klar wurde: Märkte und die Strukturen der wachstumsorientierten Ökonomie, in der Macht und Reichtum zunehmend konzentriert waren, versagten bei der Befriedigung vieler Bedürfnisse. Während einige Menschen immer reicher und mächtiger geworden waren, gab es nicht genug bezahlba­ren Wohnraum, keinen Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, keine ausreichend funktionierende Gesundheitsversorgung, immer mehr Unsicherheit und soziale Spaltung, zu wenig Mitbestimmung und freie Zeit. Auf starken öffent­lichen Druck hin entschieden viele Kommunen und Städte, die Versorgung mit Wohnraum, Mobilität und Energie (wieder) selber zu übernehmen oder an demokratische Betriebe wie Kollektive oder Genossenschaften zu übergeben. Gleichzeitig entstanden immer mehr selbstorgani­sierte Alternativen wie solidarische Landwirtschaftsprojekte, die als Beitragsökonomien weitgehend geldfrei und nach dem Motto „Beitragen statt Tauschen“ arbeiten. In Beitragsökonomien wird nicht getauscht, sondern jede*r produziert für die Gemeinschaft und wird von ihr versorgt. D.h. die Menschen tauschen ihre Produkte nicht am Markt, sondern stellen sie allen zur Verfügung.

Dieser Trend – Verdrängung des Marktes zugunsten einer allgemeinen Daseinsvorsorge und selbstorganisierter Alternativen – hat sich bis heute, 2048, verstärkt. Diese Transformation ist aber noch nicht abgeschlossen.

Konkret ist heute für alle Menschen eine umfassende öffentliche Daseinsvorsorge garantiert, welche die Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben ermöglicht (→ Soziale Garantien). Märkte wurden deutlich zurückgedrängt und durch politische Regulierungen und demokratische Betriebsformen an Bedürfnissen und auf das Gemeinwohl ausgerichtet. Zunehmend mehr Menschen sind in selbstorganisierten Commons tätig (→ Produktion und Betriebe).

WARUM GIBT ES NOCH MÄRKTE IN DER UTOPIE?

Der Markt als Organisations- und Verteilungsmechanismus wird vielerorts stark kritisiert, und zwar zu Recht. Er führt dazu, dass sich Reichtum ungleich verteilt und macht gleichzeitig den Zugang zu lebensnotwendigen Dingen wie Lebensmitteln und Obdach vom persönlichen Einkommen und Reichtum abhängig. Märkte sind in gewisser Weise der Gegenpol zu einer bedarfsorientierten Wirtschaft, die wir befürworten. In unserer Vision gibt es sie trotzdem, aber grundlegend anders als heute. Ihre Macht ist eingehegt und sie werden demokratisch so reguliert, dass sie ihr Handeln am Gemeinwohl orientieren. Sie sind außerdem nur ein relativ kleiner Teil der viel umfassenderen Wirtschaft: daneben gibt es öffentliche Betriebe zur Daseinsvorsorge und eine selbstorganisierte Beitragsökonomie. Das führt zu einer Reihe von Fragen:

  • Können Märkte überhaupt so stark verändert werden, dass sie sich am Gemeinwohl orientieren? Und wenn ja, braucht es dafür einen sehr machtvollen Staat und umfassende Kontrollen und Regulierungen, die aus anderen Gründen auch wieder problematisch sind?
  • Ist die volle Internalisierung von Kosten möglich und ethisch vertretbar? Sind „Preise, die die wahren sozialen und ökologischen Kosten darstellen“ nur ein theoretischer Traum der Volkswirtschaft? Wenn nein, sind Annäherungen daran trotzdem sinnvoll, um Marktgeschehen zu beeinflussen?
  • Ist es möglich etwas Markt in einigen Wirtschaftsbereichen zu haben, während sich in anderen öffentliche Betriebe und selbstorganisierte Commons sich ausbreiten? Oder wird der Markt auf kurz oder lang immer alle Lebens- und Wirtschaftsbereiche durchdringen?

All diese Fragen finden wir wichtig, und trotzdem haben wir keine marktfreie Utopie skizziert. Denn erstens soll unsere Welt im Jahr 2048 kein idealer Endpunkt sein, sondern eine widersprüchliche Übergangsphase mit Elementen des Vergangenem und des Neuen. Und zweitens glauben wir nicht daran, dass die Transformation so funktioniert, dass ein Masterplan entworfen und zu einem bestimmten Stichtag alles umgestellt wird. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass es Mischformen geben wird und der Markt aktiv zurückgedrängt werden muss. Außerdem wollen wir drittens eine Vision, die vorstellbar und machbar ist – und sind der Meinung, dass die Mischform dem näher kommt als eine marktfreie Welt.

Daher gibt es in unserer Vision noch Märkte, allerdings haben sie ihre prägende Bedeutung verloren.

Die sektorale Struktur der Wirtschaft 2048

Da die Wirtschaft 2048 ein anderes Ziel hat – nämlich materielle und immaterielle Bedürfnisse zu befriedigen –, ist sie grundlegend anders strukturiert als noch in den 2010er Jahren.

Sorgearbeit steht im Zentrum des Wirtschaftens (→ Arbeit). Entsprechend wurde der Care-Sektor – also Pflege, Medizin, Gesundheitsversorgung und Erziehungsarbeit (→ Gesundheit und Teilhabe) stark ausgebaut. Waren diese Bereiche in der Vergangenheit durch schlechte Arbeitsbedingungen und niedrige Löhne gekennzeichnet, ist heute allen klar, dass sie die Basis jeder Gesellschaft sind. Dementsprechend sind viel mehr Menschen in diesen Bereichen tätig, und die Arbeit ist gesellschaftlich hoch anerkannt, befriedigend und dort, wo sie als Lohnarbeit organisiert ist, gut entlohnt (→ Produktion und Betriebe). Auch Kultur und Bildung haben einen hohen Stellenwert.

Andere Bereiche sind wichtig geblieben, so wie Landwirtschaft, Energieerzeugung und Maschinenbau. Auch hier wird allerdings anders – nachhaltig und sozial gerecht – produziert, und wir stellen nur noch solche Produkte her, die wir gesellschaftlich sinnvoll finden.
Ressourcenintensive industrielle Produktion wurde hingegen stark zurückgefahren. Konkret gibt es kaum noch Schwerindustrie, Automobilindustrie, Bergbau und Baugewerbe. Außerdem sind ganze Industriezweige und Dienstleistungssparten weggefallen, die keinen Beitrag zur Erfüllung wichtiger Bedürfnisse leisteten oder einfach überflüssig geworden sind. Dazu zählen Rüstungs-, Werbe- und Versicherungsindustrie sowie große Teile der Finanzwirtschaft (→ Finanzen). In den Bereichen, wo wir uns demokratisch dafür entschieden haben, wurde die Produktvielfalt eingeschränkt. Geplanter Verschleiß und schnell wechselnde Moden gehören der Vergangenheit an. In anderen Bereichen hat sich durch die dezentrale Wirtschaftsstruktur wegen regionaler Besonderheiten bei Ressourcen und Bedürfnissen sowie Kultur und Tradition eine viel größere Vielfalt entwickelt, zum Beispiel beim Bauen.

Die Wirtschaftsstrukturen sind dabei insgesamt deutlich regionaler als früher – die meisten Dinge werden in der eigenen Region produziert, und nur wenn unbedingt notwendig, werden Güter über längere Strecken transportiert (→ Globale Gerechtigkeit). Überregionalen Handel treiben nur kooperative Organisationen – dazu zählen von den Mitarbeitenden kontrollierte und geführte Betriebe, Verbraucher- und Produzent*innen-Kooperativen, vergesellschaftete und öffentliche Unternehmen, globale Netzwerke von commonisch-verwaltenden Gremien, technisch-wissenschaftliche Kooperativen und viele mehr (→ Soziale Garantien).

2020
Was es schon gibt

→ Netzwerk Ökonomischer Wandel
Vernetzt verschiedene Ansätze für eine zukunftsfähige Wirtschaft jenseits von Wachstum, Konkurrenz und Kapitalismus.

→ Gemeinwohl-Ökonomie
Alle wirtschaftliche Tätigkeit trägt zum Gemeinwohl bei. Erfolg wird mit dem Gemeinwohl-Produkt (Volkswirtschaften), der Gemeinwohl-Bilanz (Unternehmen) und der Gemeinwohl-Prüfung (Investitionen) gemessen.

→ Solidarische Ökonomie
Bedeutet zu wirtschaften, um die Bedürfnisse der Menschen auf Basis von Kooperation und Selbstorganisation zu befriedigen. Dies geschieht möglichst ökologisch, diskriminierungsfrei und global gerecht. Es geht um Sinn vor Gewinn und um Kooperation statt Konkurrenz.

Commons
Gemeinschaffende Nutzung, Herstellung, Verwaltung und Weiterentwicklung. Dabei kann es um die Lebensmittelproduktion gehen, um Softwareprogrammierung, die geteilte Nutzung nachhaltiger Energiequellen, die Lösung von Transportproblemen oder die Pflege von Menschen. Commons werden „jenseits von Markt und Staat“ verortet.
‣ Buch: “Frei, fair und lebendig – die Macht der Commons

→ Degrowth oder Postwachstum
Beschreibt einen Transformationspfad hin zu einem guten Leben für alle mit der Betonung, dass diese Transformation in den reichen Ländern des Globalen Nordens mit einer demokratisch organisierten Reduktion von Produktion und Konsum auf ein global gerechtes und nachhaltiges Niveau einhergeht.

→ Tauschlogikfreies Wirtschaften
Tauschlogikfreiheit als Ansatz zeigt stärker als andere auf, was der Markt bzw. die Tauschlogik macht: künstliche Knappheit, Wachstumszwang, Missgunst… Tauschlogikfreies Wirtschaften orientiert sich an den Prinzipien Beitragen statt Tauschen und Besitz statt Eigentum.

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